Denkanstoß SS 2006

Religionskritik – Bonhoeffers Forderung für das Christentum der Zukunft

Prof. Dr. Bernd Hildebrandt

 

Dietrich Bonhoeffer ist eine Lichtgestalt der Christenheit im allgemeinen und des Protestantismus im besonderen. Auch weit über den Raum von Kirche und Theologie hinaus steht sein Name für einen mit aller Konsequenz geführten Widerstandskampf gegen das nationalsozialistische Regime. Am 9. April 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde Dietrich Bonhoeffer als Mitverschwörer des 20. Juli 1944 im KZ Flossenbürg zusammen mit anderen am Widerstandskampf Beteiligten auf persönlichen Befehl Hitlers hingerichtet. Frömmigkeit, theologisches Denken, kirchliches Handeln und politischer Einsatz bilden in Bonhoeffers Leben eine Einheit, die als solche schon bleibende Aufmerksamkeit verdienen. Es bedarf für die Nachgeborenen eigentlich keines besonderen zeitlichen Anlasses, sich dem Leben und Werk Bonhoeffers zuzuwenden. Das sollte vielmehr immer geschehen. Mit Bonhoeffer hat sich jedes theologische Denken zu befassen, das sich dem Evangelium in seiner reformatorischen Auslegung und einer von ihm inspirierten Lebensführung verpflichtet weiß. Gleichwohl ist es gut, dass bestimmte Jahrestage besonderen Anlaß bieten, sich Bonhoeffers genauer zu erinnern und nach dem zu fragen, was er uns heute zu sagen hat. Das Jahr 2006 ist eine solche Gelegenheit. Denn vor 100 Jahren, am 4.2.1906, wurde er in Breslau geboren.

In Berlin wuchs er auf. Und mit Berlin und der Berliner Theologischen Fakultät ist sein theologischer Werdegang bis hin zur in jungen Jahren erreichten Privatdozentur eng verbunden. Das Engagement in der Bekennenden Kirche brachte es mit sich, dass Pommern und die Kirche in Pommern wichtige Stationen seines Lebensweges in den 1930er Jahren wurden. In diesen Zusammenhängen ist teilweise sogar un-mittelbar auch die Theologische Fakultät der Universität Greifswald in den Lebensweg Bonhoeffers eingezeich-net. Ein in Anwesenheit von Studenten geführtes theologisches Gespräch mit dem Greifswalder Systematiker Rudolf Hermann im Juni 1935 in Greifswald sollte tiefgehende Differenzen in Verständnis der Kirche zwischen ihm und Rudolf Hermann an den Tag bringen. Aber nicht nur in dieser Frage, sondern auch hinsichtlich des Verständnisses des Alten Testaments wurde auf literarischem Wege ein Disput zwischen Bonhoeffer und Greifswalder Theologen ausgetragen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass, hätte man sie damals schon gekannt, auch die Gedanken Bonhoeffers zum Verhältnis von Religion und christlichem Glauben – jedenfalls in dieser sehr fragmenthaften Form – in der damaligen Greifswalder Fakultät auf wenig Gegenliebe gestoßen wären. Verwunderlich ist dies nicht, sind es doch die kühnsten Gedanken, die Bonhoeffer uns hinterlassen hat.

Wollte man eine Rangliste der Probleme, die von Bonhoeffer her uns zum Nach- und Weiterdenken aufgegeben sind, aufstellen, so rangierte zweifellos ganz oben seine Forderung nach einer religionslosen Interpretation der biblischen Botschaft bzw. seine Vision von einem weltlichen Christsein in der mündigen Welt. Es sind nur wenige Textpassagen, aus der Haft heraus im letzten Jahr des ihm vergönnten Lebens seinem Freund Eberhard Bethge brieflich mitgeteilt und in „Widerstand und Ergebung“ veröffentlicht, in denen Bonhoeffer diese Frage behandelt. Doch sie sind so erregend neu und so gewichtig, dass seither niemand, wann und wo immer die Religion zum Thema der Theologie wird, an Bonhoeffers Aus-sagen vorbeikommt. Aber sie sind auch der Teil im Denken Bonhoeffers, der gegensätzlicher kaum aufgenommen und kontroverser kaum interpretiert worden ist. Letzteres liegt gewiss an ihrem fragmentarischen Charakter. Sind es doch erste und zunächst für den persönlichen Gedankenaustausch bestimmte Überlegungen. Der Grund solch gegensätzlicher Interpretation ist vor allem der, dass Bonhoeffer wohl eine nichtreligiöse Interpretation der Bi-bel gefordert hat, aber positive Ausführungen dazu fehlen. Allenfalls kann aus dem, was Bonhoeffer als Religion kritisiert, die Richtung erschlossen werden, in die diese neue Weise des Umgangs mit biblischen Texten zielt. Wieweit Bonhoeffer selber dazu gekommen ist, wissen wir nicht. Gearbeitet daran hat er, wie aus Briefäußerungen der letzten Monate zu entnehmen ist. An dieser Stelle brechen jedoch die Aufzeichnungen aus der Haft ab, und die schon geschriebenen Kapitel einer hierzu begonnenen Arbeit sind verschollen.

Wie gehen wir angesichts dieser Sach-lage mit Bonhoeffers Forderung der nichtreligiösen Interpretation biblischer Begriffe um? Bejahen wir das Anliegen und versuchen eigene Antworten? Oder halten wir den Gedankengang, der Bonhoeffer zu seiner Auffassung geführt hat, vom Ansatz her für einen Irrweg? Denn, so ist eingewandt worden, Bonhoeffers Prognose des Verschwindens der Religion aus dem Leben werde weder der conditio humana noch dem weiteren Verlauf der Geschichte gerecht. Doch ehe man sich – vielleicht zu eilig – in diese alternative Fragestellung hineinbegibt und sich entsprechend positioniert, sollte bedacht werden, was Bonhoeffer gesagt und was er nicht gesagt hat. Die Stellungnahme wird dann eine andere sein, als dass sie auf bloße Zustimmung oder Ablehnung hinausläuft. Damit wäre weder dem Anliegen Bonhoeffers gedient noch würde man der heutigen theologischen Aufgabe gerecht.

Den Außenstehenden, aber auch manchen Studienanfänger mag verwundern, dass in der theologischen Reflexion Religion und christlicher Glaube nicht nur voneinander unterschieden, sondern sogar in einen Gegensatz zueinander gerückt werden. Was soll denn die biblische Botschaft anderes sein als Ausdruck einer Religion? Aber wer die biblische Botschaft ernst nimmt, wird Religionskritik in ihr entdecken, und diese nicht nur gegen fremde Religionen, sondern gegen Denken und Handeln im Volk Gottes selber. Er wird lernen müssen, Religi-onskritik als genuine Aufgabe der Theo-logie zu verstehen. Religionskritik nicht als Kritik der Religion überhaupt, vielmehr Kritik von Religion im Namen von Religion! Passiert eben das nicht auch bei Bonhoeffer, wie es vorher schon bei den Großen in der Theologie als Kritik des real existierenden Christentums geschehen ist? Ja und Nein, denn bei Bonhoeffer bekommt die Religionskritik eine besondere Pointe mit der Forderung nach einen religionslosen Christentum, so dass, wie es scheint, er sich vom Phänomen Religion über-haupt distanziert. Der Ausdruck „weltliche Interpretation“ verstärkt noch die-sen Eindruck. Doch dem muss widersprochen werden, als habe Bonhoeffer die Religion als solche verabschiedet. Das Verwirrende an Bonhoeffers Aussagen indes ist, dass Differenzierungen am Begriff Religion fehlen und sich diese erst tieferem Nachsinnen erschließen. Man muss neben dem Unfertigen der ersten Äußerungen Bonhoeffers auch seine besondere Erfahrungssituation vor Augen haben, sowohl im theologischen Denken als auch in der Stimmungslage jener Zeit.

Bonhoeffer stellt sich hinter die radikale Kritik der Religion als Unglaube, wie sie Karl Barth von seinem Verständnis der biblischen Offenbarung aus geübt hat. Aber Barths Kritik, die darauf hinauskommt, dass unser Reden von Gott als unser Reden Religion und also faktisch Unglaube ist und bleibt und stets der Rechtfertigung durch Gott bedarf, genügt Bonhoeffer nicht. Denn irgendwie sieht er Barth trotz aller Kritik gewissermaßen im alten (religiösen) Sprachspiel verharren, statt ein neues (nicht-religiöses) Verstehen der biblischen Begriffe zu ermöglichen. Dies aber sei der geschichtlichen Situation, in der sich die Kirche mit der ihr aufgetragenen Botschaft befinde, nicht angemessen. Denn die Stunde habe geschlagen, in der vom Ende der Religion gesprochen werden müsse. „Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen. Die Menschen können einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös sein.“ Damit werde dem bisherigen „Christentum“ das Fundament entzogen, setze dieses doch ein „religiöses Apriori“ voraus, beziehe sich in allem darauf und baue auf diesem die ganze Verkündigung auf. Wenn nun aber deutlich werde, „daß dieses ‚Apriori’ gar nicht existiert, sondern daß es eine ge-schichtlich bedingte und vergängliche Ausdrucksform des Menschen gewe-sen ist, wenn also die Menschen wirk-lich radikal religionslos werden [...], was bedeutet das dann für das ‚Christentum’?“ Die anbrechende Zeit der Religionslosigkeit ist für Bonhoeffer charakterisiert durch die Autonomie des Menschen. Er spricht von der mündig gewordenen Welt.

Alles kommt indes darauf an, was Bonhoeffer unter Mündigkeit versteht. Mündig ist Bonhoeffer zufolge der Mensch, der es gelernt hat, „in allen wichtigen Fragen mit sich selbst fertig zu werden ohne Zuhilfenahme der ‚Ar-beitshypothese: Gott’.“ „Gott als moralische, politische, naturwissenschaftliche Arbeitshypothese ist abgeschafft, überwunden; ebenso aber als philoso-phische und religiöse Arbeitshypothese (Feuerbach!). Es gehört zur intellektuellen Redlichkeit, diese Arbeitshypothese fallenzulassen bzw. sie so weitgehend wie irgend möglich auszuschalten.“

Was ist nun für Bonhoeffer im Horizont dieser von ihm identifizierten Mündigkeit des Menschen Religion? Was ist religiös? Will man Bonhoeffer in dieser Sache gerecht werden, so gilt es, sich freizumachen davon, Religion als Bezogensein des Menschen auf eine ihm transzendente Wirklichkeit zu verstehen. Nicht im Sinne Gerhard Ebelings ist dann von Religion als „Verehrung einer Manifestation des Geheimnisses der Wirklichkeit“ zu reden. Es sind ganz bestimmte Merkmale, die für Bonhoeffer Religion ausmachen und den religiösen Menschen charakterisieren (s. unten). Und mit aller gebotenen Redlichkeit ist zu fragen, ob nicht Bonhoeffer jenseits dieser Merkmale durchaus Religion und christlichen Glauben positiv zusammensehen kann, ohne in-des hierfür noch ausdrücklich den Begriff Religion in Anspruch zu nehmen. Über Bonhoeffer hinaus, nicht aber – wie ich denke – in einem grundsätzlichen Sinn gegen ihn, stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, den christlichen Glauben ohne Religion ge-mäß der Ebelingschen Definition zur Sprache zu bringen und zu leben. Sind nicht alle hohen Worte des Glaubens, angefangen beim Wort „Gott“, wenn denn mit ihm ein bestimmter gedanklicher Gehalt verbunden ist, religiöse Worte? Und sind nicht Gebet und Got-tesdienst religiöse Phänomene? Man müsste die Sprache des Glaubens aufgeben sowie sämtliche Ausdrucksformen der Frömmigkeit, wollte man Religionslosigkeit in dieser grundsätzlichen Weise verstehen. Aber das soll ja nach Bonhoeffer ausdrücklich bleiben: der Gott der Bibel, die Erlösung und die Auferstehung, das Beten und das Tun des Gerechten.

Recht verstanden kann Religion im Bonhoefferschen Sinn nur etwas Einge-schränktes meinen, nämlich eine be-stimmte Vorstellung von Gott, ein be-stimmtes Reden von ihm, von Erlösung und Auferstehung sowie eine bestimm-te Art von Frömmigkeit. Bonhoeffer nennt nun ausdrücklich als Merkmale der Religion das metaphysische Reden von Gott, das Prinzip der Innerlichkeit und des Gewissens, das Anknüpfen an Schwächen des Menschen, an Grenz- und Verzweiflungssituationen, ein individualistisches, ja egoistisches Gott-Mensch-Verhältnis und schließlich eine Unmündigkeit, die statt autonom tatkräftigen Handeln des Menschen alles von wunderhaften Eingriffen Gottes erwartet und der Vorstellung eines Deus ex machina huldigt. Solche Unmündigkeit will nicht wahrhaben, „daß wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden.“ In dem allen geht es Bonhoeffer positiv um eine Redlichkeit, die erkennt, „daß wir in der Welt leben müssen – ‚etsi deus non daretur’.“

Die durch Bonhoeffer aufgestellte Forderung birgt Probleme, die sich einer einfachen Lösung entziehen. Weder beflissene Zustimmung noch aufgeregte Ablehnung sind hilfreich, wenn es um konstruktives Bearbeiten der aufgeworfenen Probleme geht. Dies kann hier nur ansatzweise an einem der von ihm als Religion bezeichneten Merkmale, dem metaphysischen Reden von Gott, geschehen.

Allzu rasch ist man heute in der Theologie dabei, in der vermeintlichen Auf-nahme der Forderung Bonhoeffers je-den Anflug von Metaphysik für das Reden von Gott verabschieden zu wol-len. Doch wie sollte das geschehen? Muss hier nicht eher behutsam vorge-gangen werden – sowohl im Blick auf Bonhoeffer selbst als auch prinzipiell, wenn anders es um Theologie geht? Fragen wir nämlich, was Bonhoeffer kritisiert hat, dann wird deutlich, dass Bonhoeffer mit Metaphysik eine ganz bestimmte Auffassung von ihr und der Rede von Gott meint: Es geht um das Beweisenwollen Gottes mittels der Vernunft, um einen rein theoretischen, zur bloßen Weltanschauung mutierten, vielleicht sogar nur allgemeinen Glauben an Gott als einer höheren Macht. Und es geht um die Vorstellung einer räumlichen gedachten Transzendenz Gottes, die Gott in einer Art Hinterwelt ansiedelt, von woher er eingreift in den Lauf der Welt. Bonhoeffer erscheint dieses Denken gespeist durch das Verlangen, den Glauben sichern zu wollen. Solcher Verbindung von Metaphysik mit dem christlichen Reden von Gott begegnet er mit der These vom ohnmächtigen und leidenden Gott. Diese dem überlieferten metaphysischen Den-ken entgegenstehende Rede von Gott schließt dann mit einem anderen Er-kenntnisweg als dem, auf den Wegen der Vernunft schnurstracks zu Gott zu gelangen, auch eine andere Lebenshaltung ein, nämlich „das Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben.“

Das ist alles sehr verkürzt gesagt. Aber die Aussage vom Leiden Gottes einerseits und die Abwehr jeglichen Beweisenwollens Gottes mittels Vernunft an-dererseits sollten nicht dazu führen, Metaphysik und christliche Rede von Gott nur im Gegensatz zueinander zu sehen. Der Gottesgedanke verlangt den metaphysischen Horizont, wenn damit ein Überstieg über die vorfindliche Wirklichkeit in all ihrer Begrenzung, sowohl im Erkennen als auch im Handeln, ausgesagt wird. Wie Immanuel Kant mit dem Ablehnen der Gottesbeweise und dem Insistieren auf den Grenzen der Vernunft nicht die Metaphysik als solche aufheben, sie vielmehr neu be-gründen wollte, so wird man auch vorsichtig sein müssen, Bonhoeffer als Kronzeugen für den Abweis von Meta-physik überhaupt für jede rechte Theologie in Anspruch zu nehmen. Das greift einfach zu kurz und nimmt nicht ernst, dass es auch Rechenschaft im Denken darüber geben muss, welche Referenz das Wort „Gott“ im Zusammenhang unserer Wirklichkeit hat. Gilt es doch, das Wort Gott an der Wirklichkeit unserer Welt zu bewähren. Wie soll das anders geschehen, als da-durch, dass das Wort Transzendenz für das phänomengerechte Verständnis der Wirklichkeit in Anspruch genommen wird! Das bedeutet Streit um die Wirklichkeit, d.h Streit um ihr Verständnis. „Wir müssen wieder in die freie Luft der geistigen Auseinandersetzung mit der Welt.“ Das sagt Bonhoeffer!

Gottesglaube, wenn und weil er nicht beliebiger Zusatz zum Verstehen von Mensch und Welt ist, hat weltanschau-liche Implikationen. Er ist darum nicht mit jedem Wirklichkeitsverständnis, wie ein solches immer auch weltanschauliche Aussagen einschließt, vereinbar. Es ist schon ein Unterschied, ob ein philosophisches Denken im Positivismus verharrt oder die vorfindliche Wirklichkeit transzendiert und nach Ursprung, Bestimmung und Ziel von Mensch und Welt fragt. Schon dieses Fragen als solches, selbst wenn die Antwort darauf negativ sein sollte, transzendiert das Vorfindliche und ist insofern metaphysikhaltig. Die Aussage, dass Gott ‚ist’ – und zwar nicht nur im Sinn eines Ausdrucks menschlicher Befindlichkeit – kann nicht bloße irrationale Behauptung sein. Kann die Theologie, wenn Rechenschaft darüber abgelegt werden soll, was der Gottesbegriff besagt, anders antworten als in Aufnahme der metaphysischen Fragen nach dem letzten Woher und Wohin, nach dem Sinn und der Einheit alles Seins?

Auf diese Fragen antwortet auf ihre Weise auch die Philosophie. Die Frage ist dabei, ob die Theologie nicht auch in bestimmten philosophischen Ant-wortversuchen weltliche Analogien für das Reden von Gott für ihre eigene Antwort in Anspruch nehmen kann, ja nehmen muss. Wird nicht gerade mit solcher Vorgehensweise die Forderung nach weltlicher Interpretation biblischer Begriffe erfüllt? „Weltliche Interpretation“ kann ja nicht nur Interpretation durch die Tat meinen, wie manche Interpreten Bonhoeffers steil behaup-ten. Sie bedeutet ebenso das Achthaben auf Anschlussfähigkeit christlicher Rede von Gott und ihr Hineinstellen in Fragestellungen, die sich dem Nachdenken des Menschen stellen. Vorausgesetzt wird in solcher Vorgehensweise, dass es Affinitäten der biblischen Aussagen von Gott zu bestimmten philosophischen Begriffen bzw. Zusammenhängen, die Welt zu verstehen, gibt. So besteht keine Äquidistanz der Gottesbehauptung zum weltanschaulichen Materialismus und Idealismus. Vielmehr wird der christliche Gottesglaube im objektiven Idealismus, der Geist und Wille aller Weltwirklichkeit voranstehend und diese bestimmend behauptet, so dass die Welt nicht einfach real, sondern realisiert ist, eine Nähe zur eigenen Aussage von Gott dem Schöpfer und Herrn der Welt entdecken. Diese Nähe bis hin zu partieller Gemeinsamkeit ist als intellektuelle Redlichkeit – auch eine Forderung Bonhoeffers! – anzuerkennen. Das schließt aber nicht aus, sondern fordert, das Andere des christlichen Gottesglaubens im Gesamtzusammenhang biblischer Überlieferung darzutun. Nur wird dies jetzt in der Weise geschehen, dass auch die Wahrheitsmomente metaphysischer Rede von Gott mit zur Sprache kommen. Die Anfänge des Verstehens, auf die wir hinsichtlich der großen Worte der christlichen Tradition in der Zeit wachsender Gottesvergessenheit zurückgeworfen sind, schließen den kon-struktiven Umgang mit dem philosophischen Erbe ein, zu dem untrennbar die Metaphysik gehört.